Teilzeitarbeit, geringere Löhne und Kinderpausen schmälern die Rente: Buchautorin Corin Ballhaus will Frauen ermutigen, sich selbstbestimmt und souverän mit den Themen Geld und Vorsorge auseinanderzusetzen.

Sie haben kürzlich das Buch «Frauenpower in Finanzfragen» veröffentlicht. Warum braucht es diesen Ratgeber?
Ein grosser Treiber war für mich, das Thema Vorsorge mit Blick auf die unterschiedlichen Lebensphasen zu beleuchten, hier braucht es noch Denkanstösse. Frauen unterbrechen auch heute noch oft ihre Erwerbstätigkeit oder reduzieren ihr Arbeitspensum, sobald sie Kinder haben. Und auch später übernehmen sie den grössten Teil der Familienbetreuungsarbeit. Das führt zu Brüchen in den Erwerbsbiografien und diese Brüche bringen einen ganz grossen Nachteil mit sich: Frauen erhalten im heute geltenden System meist nicht die vollen Rentenleistungen.

Wie kommt es zu diesen Lücken?
Unser Vorsorgesystem baut auf der Annahme auf, dass ich Vollzeit arbeite von dem Moment, in dem ich ins Berufsleben einsteige, bis ich wieder aufhöre. Das ist eben die Norm. Und wenn ich von der abweiche, handle ich mir gewisse Lücken ein. Wir sind ein Land der Teilzeitarbeiterinnen, nur 40% der erwerbstätigen Frauen arbeiten überhaupt Vollzeit – völlig legitim. Aber: Ich muss für mich selber wissen, was das konkret heisst für meine Vorsorge. Ich muss mir bewusst sein: Da entsteht jetzt gerade eine Lücke und die gereicht mir möglicherweise zum Nachteil, wenn ich das Thema nicht irgendwie und irgendwann angehe.

Was raten Sie Frauen ganz konkret?
Unbedingt regelmässig einen Boxenstopp in Sachen Finanzen einlegen! Vor allem, wenn grössere Lebensereignisse anstehen. Aber zuerst mal: Familiengründung ist ein Partnerprojekt, kein Egoprojekt. Meine Empfehlung ist, dass die Partner gemeinsam anschauen, was das in finanzieller Hinsicht heisst. Und was das auf der Vorsorgeseite heisst. Denn: Die Auswirkungen spüre ich ja nicht jetzt. Als Frau stehe ich da eben auch in der Verantwortung. Da kommt dann oft das Argument «Da bleibt ja unterm Strich nichts über, die Betreuung ist ja so teuer». Stimmt – aber die eigene Berufstätigkeit ist eben auch eine Investition in die Zukunft.

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Corin Ballhaus, Jahrgang 1965, lebt und arbeitet in Lenzburg. Die ehemalige Wirtschaftsjournalistin und Bankerin ist heute selbständige Unternehmensberaterin und auch in der Lokalpolitik aktiv. Ballhaus ist SVP-Einwohnerrätin, Präsidentin der Ortsbürger Rebbauern-Vereinigung Lenzburg und Stiftungsrätin der Stiftung Schloss Lenzburg.

Was wäre Ihre Empfehlung: auch nach der Familiengründung Vollzeit arbeiten?
Nein, nicht unbedingt, das ist natürlich eine sehr individuelle Entscheidung. Ich persönlich finde, dass es auch eine Errungenschaft unserer Wohlstandsgesellschaft ist, die Wahl zu haben. Aber: Man muss es in der Partnerschaft thematisieren. Wer übernimmt welchen Teil der Familienarbeit in welcher Phase? Was heisst das für meine Finanzen und die Vorsorge? Welche Lücke entsteht? Füllen wir die? Haben wir da gerade überhaupt die Mittel dafür? All das sind, finde ich, Fragen, die man in der Partnerschaft aushandeln sollte. Und das halt auch vertraglich regeln. Natürlich tönt es extrem unromantisch, wenn man sagt: Das müssen wir vertraglich regeln. Aber diesen Blick nach vorne, in die Zukunft, den finde ich persönlich wichtig. Nicht so in der rosaroten Wolke verharren, sondern vorausdenken.

Studien zufolge überlassen viele Frauen Finanzentscheide lieber dem Partner. Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?
Für mich hat das auch viel mit Vorbildern zu tun. An was orientiere ich mich, wie wurde in meiner Familie oder in meinem Umfeld mit dem Thema Geld umgegangen, welches Familienmodell wurde gelebt? Die klassischen Rollenbilder sind immer noch fest in den Köpfen vieler Menschen verankert. In der Realität geht das aber oft mit dem Prinzip «der Mann als Lebensversicherung» einher, so nach dem Motto «Er verdient das Geld und kümmert sich dann schon». Solange man zusammenbleibt, funktioniert das System. Das grosse Erwachen kommt dann erst, wenn es halt nicht so Friede-Freude-Eierkuchen-mässig verläuft. Viele junge Leute heiraten zum Beispiel nicht mehr, die finden das überholt. Das Konkubinat hat aber auch erhebliche Auswirkungen auf die Vorsorge. Das sollte man sich gemeinsam anschauen und man sollte bewusste Entscheide treffen. Da setze ich mit meinem Buch an.

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Familiengründung ist ein Partnerprojekt!

Wir haben darüber gesprochen, was ich individuell tun kann. Wo kann oder sollte sich Ihrer Ansicht nach das System ändern?
Im Grundsatz glaube ich an das Drei-Säulen-System. Reformbedarf sehe ich insbesondere bei der zweiten Säule. Und auch, was das Rentenalter angeht, ist noch Spielraum für mehr Flexibilität.

Wie wurde in Ihrer Familie mit dem Thema Finanzen umgegangen?
Meine Eltern sind aus der damaligen DDR geflüchtet, mussten alles zurücklassen und sind dann über Westdeutschland in die Schweiz gekommen. Sie haben hier bei null angefangen. Das hat mich geprägt und darum war Geld ein Thema – nicht unbedingt im Sinne von «Wir haben kein Geld», aber im Sinne von «Geld ist Lebens-Mittel». Und es ist nicht einfach da, sondern wir müssen es uns erarbeiten. Meine Mutter war von Haus aus Fotografin, mein Vater Unternehmer und der ganze Umgang mit Geld war bei uns schon früh ein Thema. Wirtschaftlich unabhängig zu sein, egal, was passiert, war meinen Eltern enorm wichtig – und das haben sie meinem Bruder und mir so mit auf den Weg gegeben. Natürlich auch aus der eigenen Erfahrung heraus und in dem Wissen, dass man manchmal auch einfach loslassen und wieder neu anfangen muss.

Fotos: Romy Maxime

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