Schwankende Märkte, steigende Preise – bei vielen wächst die Unsicherheit und damit auch das mulmige Gefühl im Bauch. Wenn die Gedanken kreisen und Zukunftsängste zunehmen, wie bleibt man da ruhig? Wir haben mit Barbara Studer, Neurowissenschaftlerin und CEO von Hirncoach, darüber gesprochen, was solch bewegte Zeiten mit uns machen und wie wir trotzdem einen klaren Kopf behalten können.
Barbara Studer, aktuell erleben wir wirtschaftlich eine Phase, die viele als beunruhigend oder sogar als bedrohlich empfinden. Was passiert da im Gehirn?
Wirtschaftliche Unsicherheiten können im Gehirn reale Stressreaktionen auslösen – auch wenn keine physische Bedrohung besteht. Über die Aktivierung der Amygdala, unseres emotionalen Frühwarnsystems, erkennen wir Unsicherheit als Bedrohung, auch wenn es «nur» abstrakte Begriffe sind, wie Inflation oder Börsenabsturz. Wenn wir dies als Gefahr bewerten, folgen Stress- und Angstreaktionen wie Anspannung und Nervosität. Das Gehirn geht in den «Energiesparmodus». Dabei wird der Teil des Gehirns, der für vernünftiges Denken, Abwägen und langfristige Planung zuständig ist, der Präfrontalkortex, weniger aktiv. Man wird impulsiver und denkt eher in Schwarz-Weiss.
Auch das Belohnungssystem wird zurückgefahren: Unsicherheit bremst das Dopaminsystem in unserem Gehirn – das ist der Teil, der für Antrieb, Neugier und Zuversicht zuständig ist. Wenn dieser Bereich gedämpft ist, fällt es uns schwerer, klar zu denken, mutige Entscheidungen zu treffen oder überhaupt optimistisch nach vorn zu schauen. Gleichzeitig neigen wir dann stärker zu sogenannten kognitiven Verzerrungen: Wir schenken negativen Informationen mehr Beachtung als positiven, was unsere Ängste zusätzlich verstärken kann.

Barbara Studer
Dr. Barbara Studer ist Neurowissenschaftlerin, Dozentin (Universität Bern) sowie Gründerin und CEO der mehrfach ausgezeichneten Hirncoach AG. Mit Hirncoach bietet sie Programme für die Förderung der mentalen Fitness und Gesundheit für Privatpersonen sowie auch für Teams in Unternehmen an. Daneben ist sie als beliebte Referentin und Musikerin unterwegs und ist gefragte Gesprächspartnerin für die Medien.
Gerade in Momenten, in denen unser Denken blockiert ist und wir uns von negativen Nachrichten überflutet fühlen, geraten viele Menschen in eine Art Alarmmodus. Das zeigt sich auch an der Börse: Stichwort Panic Selling. Wie kann man in solch turbulenten Zeiten ruhig bleiben – ist das überhaupt möglich?
Wichtig ist, Fakten statt Gefühle zu testen. Das heisst, trainieren Sie, sich in emotional aufgeladenen Momenten bewusst zu fragen: Was weiss ich wirklich? Was fühle ich nur?Eine Pause kann den «emotionalen Sturm» im Gehirn abschwächen – und den präfrontalen Kortex wieder aktivieren. So kann es zum Beispiel helfen, zehn Minuten bewusst zu atmen, in die Natur zu gehen oder eine Nacht darüber zu schlafen.
Zudem können Sie sich Strategien aneignen. Wer sich in ruhigen Zeiten klare Handlungsregeln gibt, wie «ich verkaufe nie panisch, sondern prüfe Fakten», kann im Ernstfall darauf zurückgreifen. Und last, but not least, kann man sich Unterstützung holen. Gespräche mit rationaleren Menschen, Mentoren oder Fachleuten helfen, die emotionale Kurzschlussreaktion zu durchbrechen.
Wenn wir also emotional unter Druck stehen, treffen wir selten gute Entscheidungen. Ein typischer innerer Auslöser ist die Verlustangst – in der Forschung bekannt als Verlustaversion. Inwiefern beeinflusst dieses Phänomen unsere Entscheidungen und damit unser Leben?
Verlustaversion bezeichnet die menschliche Tendenz, Verluste emotional stärker zu gewichten als gleich grosse Gewinne. Der Schmerz, etwas zu verlieren, fühlt sich oft etwa doppelt so stark an wie die Freude, etwas zu gewinnen. Unser Gehirn ist darauf trainiert, Gefahren und Risiken besonders ernst zu nehmen, um unser Überleben zu sichern. Das zu verstehen, ist schon mal der erste Schritt, um etwas dagegen zu tun.
Durch das Schaffen von Bewusstsein können wir besser erkennen, wann Verlustangst uns leitet – zum Beispiel beim Zögern vor einer Entscheidung oder beim Festhalten an etwas, das ich eigentlich loslassen möchte. Auch die gedankliche Neubewertung, das sogenannte Reframing, hilft, indem man sich beispielsweise fragt: «Was kann ich gewinnen?» So lenkt man den Fokus bewusst auf Chancen und Entwicklung. Auch das Einnehmen einer langfristigen Perspektive kann helfen, weil viele kurzfristige Verluste in Wahrheit Investitionen in langfristiges Wachstum sind.
… und weniger intensiv ist die Erfahrung dann eben bei Gewinnen. Was passiert denn in diesem Fall im Gehirn?
Bei Gewinnen wird das Belohnungssystem aktiviert und Glückshormone werden ausgeschüttet. Diese sind lernwirksam, aber eher flüchtig. Verluste werden intensiver erlebt, weil die Amygdala – und damit auch das emotionale Gedächtnis – aktiviert und das Verhalten stark beeinflusst wird.
Ich habe mal gelesen: «Wer glücklich ist, gibt weniger Geld aus.» Würden Sie das unterschreiben?
Wer glücklich ist, gibt weniger impulsiv Geld aus und bewusster. Wenn wir uns stabil, erfüllt und innerlich verbunden fühlen, neigen wir weniger dazu, durch Konsum etwas auszugleichen. Wer hingegen in einem inneren Mangelzustand lebt, also das Gefühl hat, dass etwas fehlt, versucht dieses Gefühl häufiger durch Einkäufe zu überdecken. Manche sprechen in diesem Zusammenhang auch von «Einkauf als Therapie»: Man kauft nicht, weil man etwas braucht, sondern weil man sich kurzzeitig besser fühlen will.


Das Gehirn mag generell schnelle Belohnungen – finanziell ist es jedoch deutlich klüger, langfristig zu denken. Wie bringt man sein Gehirn dazu, auch Glückshormone auszuschütten, wenn man kein Geld ausgibt?
Auch wenn wir rational wissen, dass Sparen langfristig besser wäre, übernimmt in emotional aufgeladenen Momenten oft ein Teil des limbischen Systems im Gehirn das Kommando. So will in Stressmomenten unser Gehirn unmittelbare Erleichterung. Kaufen – besonders von Dingen, die kurzfristig erfreuen – aktiviert das Dopaminsystem, also das Belohnungszentrum. Neurologisch betrachtet steuern Gefühle Entscheidungen stärker als Fakten.
Deshalb sagt man auch: Menschen entscheiden emotional – und begründen rational. In Geldfragen heisst das: Die Absicht, zu sparen, ist logisch. Die Kaufhandlung ist emotional. Wer dieses Muster erkennt, kann lernen, emotional bewusst zu regulieren, statt impulsiv zu handeln. Sparen beginnt also nicht nur mit dem Konto – sondern mit emotionaler Selbstführung.
Viele Menschen verlieren in solch turbulenten Phasen, wie denjenigen, in denen wir uns gerade befinden, das Vertrauen in ihre eigenen Entscheidungen. Wie kann ich mein Vertrauen in mich – und in meine Finanzstrategie – wieder stärken?
Ja, wenn es emotional oder wirtschaftlich turbulent wird, ist es ganz normal, dass das Vertrauen in die eigenen Entscheidungen ins Wanken gerät. Aber man kann es wieder aufbauen. Zuerst mal: Reduziere mediale Überreizung und Angstszenarien. Sie verzerren die Wahrnehmung, stressen und schwächen das Vertrauen. Stattdessen erinnere dich bewusst an Situationen, in denen du richtig entschieden hast. Helfen kann auch eine Struktur, um die Selbstwirksamkeit und damit das Vertrauen wieder zu stärken.
Erstelle oder überprüfe deine Finanzstrategie schriftlich: Was ist der Plan? Was ist der Zeithorizont? Was sind deine Prinzipien? Und schlussendlich geht es um das Training, am besten mit Mini-Entscheidungen im Alltag. Konkret heisst das beispielsweise sich ein Budget setzen, bewusst Nein sagen, gezielt einkaufen.
… und wenn man sich in Zeiten wie diesen übermässig gestresst fühlt: Wie kann man sein Gehirn überlisten und die eigenen Emotionen besser kontrollieren respektive steuern?
Es geht nicht um ein Überlisten, sondern vielmehr um das achtsame Wahrnehmen und Regulieren von Emotionen. Da hilft einerseits das Benennen von Emotionen, aber auch körperliche Übungen wie das bewusste und tiefe Atmen, Bewegung und ein Perspektivenwechsel. Hier ist Dankbarkeit ein guter Ansatz. Wichtig ist zudem, dass man hoffnungsvolle Gedanken kultiviert, die einem Energie geben, das anzugehen, was man verändern kann.
Auch in turbulenten Zeiten für Sie da
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